von Ulrich Lessin Sonntagmorgen, 8. Oktober 1989. Hinter uns liegen zwei Konferenztage mit vollem und vielfältigem Programm: Vorträge, Workshops, Gespräche, das Fest. Hinter uns liegt unmittelbar das Gongkonzert von Michael Jüllich: Baden in Klängen, in Spannung versetzt von stiller Tiefe über bewegten Fluss hin zu reißender Flut, von unerbittlicher Dissonanz hin zu umhüllender Harmonie. Selbsterfahrung mit Gongklängen kann auf diesem Hintergrund für mich nur heißen: Konzentration, Konzentration auf Einfaches, Klares; nach dem überschäumenden Bad die Betrachtung, das Schmecken der einzelnen Wassertropfen. Diesem Wunsch nach Konzentration entsprechend arbeite ich mit nur drei Paiste-Gongs: dem 81 cm großen Universal-Gong und den Sound-Creation-Gongs „Erde“ und „Wasser“. Diesem Wunsch nach Konzentration kommt entgegen, dass wir in diesem Workshop ein einigermaßen überschaubarer Kreis von Menschen sind. Es geht in den einzelnen Phasen dieser zwei Stunden immer wieder darum, sich wahrzunehmen; sich wahrzunehmen im Hören und im Sich-in-Schwingungen-versetzen lassen, sich wahrzunehmen im Nachklingen und Nachschwingen, in der gefüllten Stille des Gongs. Und es geht um konzentrierten Ausdruck dieser Erfahrungen. Die erste Phase: Die Teilnehmer sitzen auf Stühlen im Kreis. Nur ein Gongschlag von jedem Gong, dann jeweils Stille und schließlich ein Wort von jedem Teilnehmer als Resonanz. Die zweite Phase: Ein ganz langsam an- und dann wieder abschwellender Ton auf dem Erd-Gong und als Resonanz dazu Bewegungen der Hände im gegründeten Stehen, dann Stille. Die dritte Phase: Im Liegen und Entspanntsein ein Zweierrhythmus, dem Herzschlag angenähert, gleichmäßig, mit nur vereinzelten dynamischen Steigerungen auf dem Wassergong - ich spiele die Bewegung meines eigenen Herzens - dann lange Stille. Als Resonanz bitte ich die Teilnehmer, einen Haiku zu schreiben und vorzulesen, diesen klassischen Dreizeiler der japanischen Volkskunst, der prägnant die Stimmung eines Lebensaugenblicks in Worte fasst. Und schließlich die vierte und letzte Phase: Ich spiele einen Dauerton auf dem Universal-Gong. Dabei finden die Teilnehmer zunächst ihre Stellung und Haltung zum Gong mit seinen Schwingungen und treten dann mit dem Klang ihrer Stimmen in einen Dialog mit dem Gong ein, das Empfangene wieder von sich gebend. Den Lesern und Leserinnen über dieses Beschreiben hinaus einen Eindruck von der Energie und Bewegung dieser Klangerlebnisse zu vermitteln, vermögen wohl am ehesten die von den Teilnehmern im Hier und Jetzt über sich verfassten Haikus: |