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Akustisches und visuelles Vergnügen nach dem Gongschlag

Schirme und Decken waren nötig bei letzten Veranstaltungen der Musik- und Filmnächte.

HUNGEN (ivi). Die Besucher taten gut daran, sich mit Schirm und Decken zu bewaffnen, bevor sie zu den letzten beiden Veranstaltungen der Hungener Musik- und Filmnächte ins Schloss kamen. „Klangfarben“ war der Titel der Bühnenschau, und anschließend gab es den letzten der drei Filme für die Cineasten im Publikum. „Frida“ war der Titel des Films, den das Kino „Traumstern“ präsentierte. Es war das filmische Portrait der Malerin Frida Kahlo. Ein Gongschlag, der bis in die äußersten Winkel der Hungener Schlossanlage drang, eröffnete einen Abend, der zu einem akustischen und visuellen Vergnügen werden sollte. Als der letzte Ton des chinesischen Gongs verhallt war, erschien im langen, tief dekolletiertem roten Seidenkleid eine schlanke Frauengestalt. Konzentriert den Blick gesenkt, begann sie mit einem literarischen Streifzug durch die Welt der Liebesgedichte.

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Uli Lessin gab den fernöstlichen Instrumenten eine Klang-   dichte, die eine erstaunliche expressive Vielfalt aufwies.                                        Bild: Prangenberg-Vick

Begleitet wurde sie von Uli Lessin auf verschiedenen Gongs. Für die Besucher wurde diese Symbiose zwischen Wort und Klang zu einem besonderen Klangerlebnis. Lessin verstand es, sich mit seinen Gongtönen ganz auf die innigen Texte, auf sinnliche Psalme, auf Reime der Leidenschaft, des Liebesschmerzes und der Liebeswonnen einzustellen. Mit sensibler Hand schwang er den Schlegel, entlockte den fernöstlichen Instrumenten eine Klangdichte, die eine erstaunliche expressive Vielfalt aufwies. Andrea Funk als sprachliche Partnerin des Gong verstand es mit Mimik und Gestik, sich in die Poesie von Liebe und Liebesleid zu versetzen und sie durch ihre Eindringlichkeit für das Publikum zugänglich zu machen. Es war aber auch die prickelnde Erotik, die die Sprecherin ausstrahlte, die sie sehr diffizil auf die Texte, die sie las, abgestimmt hatte. Mit großem Einfühlungsvermögen wechselte sie von Shakespeares Liebessonetten zur „Rastlosen Liebe“ von Goethe, um schließlich mit Hugo von Hofmannsthals „Das Mädchen und der Tod“ einen exzellenten melodramatischen Auftritt zu inszenieren.

Wie ein roter Faden zogen sich immer wieder Verse, manchmal nur einige wenige Zeilen aus dem Hohelied Salomons durch die Veranstaltung. Als „samtrot“, wie der Künstlernahme von Andrea Funk und Uli Lessin ist, mit dem Bibelzitat „Am Anfang war das Wort“ endeten, kam noch einmal die große Show des Gongspielers. Er versetzte den chinesischen Gong in Schwingungen, die sich von zärtlichen Tönen zum tobenden Sturm entwickelten, gegen den sich Andrea Funk mit gewaltiger Stimmkraft stemmte. Erst als der letzte Ton verklungen war, erwachte das Publikum aus seiner Verzauberung, um mit großem Beifall den Künstlern für eine neue Hörerfahrung zu danken.

Gießener Anzeiger, 02.09.2003